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Men­schen, die in juris­ti­sche Ver­fah­ren hinein­gezogen werden oder auf eige­nes Ansin­nen Bestand­teil eines Gerichts­ver­fah­rens werden und in die­sem Zusam­men­hang mit uns in Kontakt kommen, wis­sen oft nicht, was Rechts­psy­cho­lo­gen genau machen, welche Sys­te­ma­tik unse­rer wis­sen­schaft­li­chen Arbeits­weise zugrun­de liegt, wozu unsere Arbeit dient und auch nicht, welche Kon­se­quen­zen dar­aus für sie und andere Betei­lig­te fol­gen können. Wir wollen kurz und prä­gnant ein Licht auf eini­ge weni­ge Inhalte foren­sisch-psy­cho­lo­gi­scher Tätig­keit werfen.

Diese Darstellungs­weise soll auch für Inter­es­sier­te ohne psychologisches Fach­wis­sen ver­ständ­lich zu sein. Daher kann sie natür­lich nicht die Tie­fe und Umfang wis­sen­schaft­li­chen Vorgehens abbil­den. Zudem wür­de dies den Rahmen einer Inter­net­sei­te spren­gen. Es resul­tiert also eine skiz­zen­haf­te Darstellungs­weise, die zuguns­ten der Ver­ständ­lich­keit in Kauf genommen wird.

Das Gehirn

Das Gehirn ist ein über­aus ver­än­der­li­ches Organ. Die Wis­sen­schaft spricht in die­sem Zusam­men­hang von der Neuroplastizität des Gehirns. Gemeint ist damit, dass sich die Nerven­zellen und ihrer Ver­bin­dun­gen organisieren nach den Rei­zen der Außen­welt. Das fängt mit der ers­ten Stun­de des Lebens an. Ein Säug­ling beispiels­weise kann noch nicht rich­tig sehen. Erst durch die Ein­wirkung von Hell und Dunkel, von Far­ben und Kon­tras­ten bildet sich das Sehen. Diese Eigen­schaft des Gehirns, gewisser­maßen sich an phy­si­ka­li­sche Erfor­der­nis­se des Lebens anzu­pas­sen, begleitet uns das gan­ze Leben. Wer Kla­vier spielt, kann ein Lied davon sin­gen: spielt man nicht kon­ti­nu­ier­lich, ver­liert man nach und nach diese wun­der­ba­re Fer­tig­keit. Und selbst im letz­ten Lebens­abschnitt, wenn im hohen Alter das Gehör nach­lässt und kein Hör­gerät benutzt wird, ver­lie­ren Senio­ren die Fähig­keit, fei­ne Lau­te zu unter­scheiden. Die Neuroplastizität des Gehirns ist also Fluch und Segen zugleich. 
Die meis­ten Men­schen den­ken, für jede Erin­ne­rung gibt es einen fes­ten Platz in unse­rem Kopf. Doch das Gehirn funk­tio­niert mitnichten so, wie eine Spei­se­kam­mer, in der alles an sei­nem eige­nen Ort steht. Viel­mehr sind neu­ro­na­le Aktivitäten krea­ti­ve Vorgänge. Jedes Mal, wenn wir uns an etwas erinnern, setzt unser Gehirn alle Ein­zel­tei­le neu zusam­men. Man kann grob sagen, Geräu­sche werden woan­ders gespei­chert als Far­ben, Temperatur-Empfin­dungen wie­der­um woan­ders, und dies obwohl sie wirklich alle zu ein und der­sel­ben Erin­ne­rung gehören. Durch dieses Neu­zu­sam­men­set­zen im Vorgang des Erin­nerns schlei­chen sich Feh­ler ein, Ver­än­de­run­gen und Verzerrungen, die wir nicht bemerken. 

Irr­tum und Erinnerung

Im Gerichts­saal stellt die Fra­ge, wor­an eigent­lich erin­nert sich ein Mensch? Sind es Gege­ben­hei­ten, die tat­säch­lich statt­gefunden haben? Sind es Inhalte, von deren Wahr­heit ein Zeu­ge zwar überzeugt ist, die aber so nicht statt­gefunden haben?

Rechts­psy­cho­lo­gen unter­su­chen mit soge­nann­ten Glaub­haf­tig­keits­ana­ly­sen die Aus­sa­gen von Zeugen und prü­fen sie auf ihren Erleb­nis­be­zug. Eine genaue Ana­ly­se ist ins­besondere dann geboten, wenn andere einer gra­vie­ren­den Straf­tat beschul­digt werden. 

Lüge

Dass in Gerichts­sä­len Aus­sa­ge gegen Aus­sa­ge steht, ist eine häufig vor­kom­men­de Konstellation, ins­besondere wenn es um mutmaßliche Sexu­al­de­lik­te geht. Wir unter­su­chen in soge­nann­ten Glaub­haf­tig­keits­ana­ly­sen, wie hoch die Wahr­schein­lich­keit ist, dass die Aus­sa­ge auf tat­säch­li­chen Erleb­nis­sen beruht. Und eben­so prü­fen wir, ob eine Aus­sa­ge mög­li­cher­wei­se nicht auf rea­len Erleb­nis­sen basiert, ob es also wahr­schein­li­cher ist, dass es sich um eine Lüge – eine absicht­liche Falsch­aus­sa­ge – handelt. 
Ein pro­mi­nen­tes Jus­tiz-Bei­spiel ist der soge­nann­te Kachel­mann-Pro­zess. Der Mode­ra­tor Jörg Kachel­mann wur­de der Ver­gewaltigung in Tat­ein­heit mit gefähr­li­cher Kör­per­ver­let­zung beschul­digt und am Ende frei­ge­spro­chen. In die­sem Ver­fah­ren spiel­te die psychologische Glaub­haf­tig­keits­ana­ly­se eine wich­ti­ge Rol­le, inso­fern als die beauf­trag­te Rechts­psy­cho­lo­gin zu dem Schluss kam, dass die Aus­sa­gen der Neben­kla­ge zu vie­le Män­gel aufwiesen, um als glaub­haft gel­ten zu können. Dass es zusätzliche, auch medi­zi­ni­sche Gut­ach­ten gab, sei der Vollständigkeit hal­ber erwähnt. 

Per­sön­lich­keits-Dia­gnos­tik

Feh­len­de Ein­sicht ist ein häufig zu beob­ach­ten­des Phä­no­men von psy­chi­schen Erkran­kun­gen. Ins­besondere Men­schen mit Per­sön­lich­keits­stö­run­gen, aber auch Pati­en­ten mit psy­cho­so­ma­ti­schen Erkran­kun­gen emp­fin­den bereits gerings­te Kri­tik als eine tie­fe, lang anhal­ten­de per­sön­li­che Kränkung.

Für die foren­si­sche Praxis spielt man­geln­de Ein­sicht vor allem dann eine Rol­le, wenn Ver­dachts­mo­men­te der Kindeswohl­gefährdung im Raum ste­hen, da Betrof­fe­ne – meist die Eltern – kei­ne Ein­sicht zei­gen und damit kei­nen Anlass zu einer Verhaltens­änderung sehen.

Aber natür­lich ist feh­len­de Ein­sicht auch im Zusam­men­hang mit der Reso­zia­li­sie­rung von Gesetzes­brechern ein wich­ti­ger Aspekt. Persönlichkeits­diagnostik ist daher ein wich­ti­ger Bau­stein der rechts­psychologischen Praxis. Sie ist aber nie­mals Selbst­zweck, denn die steht immer im Dienst der zu klä­ren­den Fra­gen des beauf­tra­gen­den Gerichts. 
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