Wird ein Kind durch das Verhalten seiner Eltern in seiner Entwicklung und persönlichen Entfaltung geschädigt, muss der Staat vom sogenannten „Staatlichen Wächteramt“ Gebrauch machen. In Extremfällen wird den Eltern das Sorgerecht entzogen und das Kind in einer Pflegefamilie untergebracht. Die von Gerichten angeforderte psychologische Expertise bezüglich Fragen der Kindeswohlgefährdung erfordert die genaueste Analyse zahlreicher Facetten und Perspektiven.
Der Gutachter muss wissenschaftliche Erkenntnisse aus vielen Teilbereichen der Psychologie berücksichtigen, sie fallweise zusammenführen und am Einzelfall orientiert sorgsam abwägen. Der Gesetzgeber hat dem Entzug des Sorgerechts sehr hohe Hürden gesetzt. Diese Maßnahme darf zu Recht immer nur das allerletzte Mittel sein, wenn alle milderen Maßnahmen ausgeschöpft aber wirkungslos geblieben sind.
Jede empirische Wissenschaft benötigt Theorien und Modelle, auf denen die Forschung aufbaut.
Warum zeigen einige Menschen kriminelle Verhaltensmuster, andere nicht?
Diese Frage lässt sich nicht restlos zufriedenstellend beantworten, denn es gibt nicht die EINE Theorie. Zu bedenken ist, dass die Psychologie – und hier im Speziellen die Kriminalpsychologie – eine empirische Wissenschaft ist, die stark interdisziplinär ausgerichtet ist. Daher existieren unterschiedliche wissenschaftliche Modelle, die kriminelles Verhalten zu erklären versuchen.
Wann werden Menschen (wieder) kriminell? Selbst von den renommiertesten Ökonomen sind Wirtschaftsprognosen in die weitere Zukunft hinein von großer Unsicherheit gekennzeichnet. Ebenso die Meteorologie: die Genauigkeit von Wettervorhersagen nimmt rapide ab, je weiter in die Zukunft prognostiziert wird. Gleiches gilt in der Kriminalpsychologie. Kriminalitäts- und Rückfallprognosen sind umso schwieriger, je weiter sie in die Zukunft reichen (sollen). Dies hängt damit zusammen, dass menschliches Verhalten von sehr vielen Faktoren und einem komplexen Wechselspiel beeinflusst wird.
Die Forschung hat in unzähligen Untersuchungen nachgewiesen, dass Vorhersagen, die statistische Daten als Grundlage nehmen, der klinischen Einschätzung überlegen sind. Jedoch hat die rein statistische Begründung methodische Nachteile und es wäre zu kurz gegriffen, eine Prognose ausschließlich auf statistischer Datenbasis zu begründen. Ferner würde dies einem humanistischen Menschenbild (das natürlich auch für Straftäter gilt) widersprechen.
Es müssen also zusätzlich zum statistischen Profil auch individuelle Aspekte berücksichtigen werden. Daher ist die Straftäterbegutachtung, an deren Ende eine prognostische Einschätzung steht, ein Vorgehen auf mehreren Ebenen.